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Europäisches Verbraucherzentrum Italien Büro Bozen
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17.04.2021

Unsicherheiten bei COVID-Reisegutscheinen aus dem Vorjahr - Das Europäische Verbraucherzentrum erklärt, was Sache ist

 
Wer für Ostern 2020 einen Urlaub gebucht hatte, sah ihn bekanntlich ins Wasser fallen. Eine gesetzliche Sonderregelung gab Hotels, Reiseveranstaltern und Transportunternehmen in Italien die Möglichkeit, statt einer Erstattung einen Voucher auszustellen. Viele konnten ihre Gutscheine bislang noch nicht einlösen und fragen sich nun, ob sie eine Auszahlung fordern können.
Die Unsicherheit ist groß, nicht nur bei den zahlreichen VerbraucherInnen, die in den letzten Wochen das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Italien mit Fragen zu ihren Gutscheinen aus dem Jahr 2020 kontaktiert haben. Die Rechtslage ist derart komplex, dass auch Dienstleister der Reisebranche, wie Hotels und Reisebüros, sich manchmal schwer zu tun scheinen, sie zu durchschauen. Einige VerbraucherInnen bekommen nämlich signalisiert, dass ihr vor einem Jahr ausgestellter Gutschein verfallen und kein Auszahlung möglich sei. Dem ist aber nicht so.
Konkret halten nun VerbraucherInnen einen Gutschein vom verhinderten Osterurlaub des Vorjahres in den Händen, der nur auf dem Papier eine Gültigkeit von einem Jahr hat und daher den Anschein erweckt, in Kürze zu verfallen. Da sich die Rechtslage zu diesen Vouchern im Juli 2020 grundlegend und rückwirkend geändert hat, ist er in Wirklichkeit insgesamt 18 Monate gültig und kann noch weitere 6 Monate für eine neue Buchung genutzt werden.

Einige VerbraucherInnen sind aber (noch) nicht an einer neuen Buchung interessiert: Die allgemeine Lage ist manchen zu unsicher, die Einkommenssituation erlaubt dieses Jahr vielleicht keinen Urlaub und die Preise sind häufig derart gestiegen, dass es zum Voucher noch eine erhebliche Zuzahlung bedarf, um dieselbe Leistung des Vorjahrs zu buchen. „Die gute Nachricht ist: Bei Nichtnutzung muss der Voucher erstattet werden“ erklärt Barbara Klotzner, Beraterin bei EVZ. Die Auszahlung von Vouchern, die von Transportunternehmen ausgestellt wurden, kann schon nach 12 Monaten ab Ausstellungsdatum beantragt werden, und muss dann innerhalb 14 Tage erfolgen. Dazu muss das Unternehmen, welches den Gutschein ausgestellt hat, gegebenenfalls durch den Vermittler, kontaktiert werden. Die Erstattung von Hotel- oder Pauschalreisegutscheinen muss hingegen erst innerhalb 2 Wochen ab Ablauf der Gültigkeitsfrist von 18 Monaten erstattet werden. Auch wenn dies das Unternehmen dies eigentlich automatisch tun sollte, ist es wohl auch in diesem Falle empfehlenswert, die Erstattung ausdrücklich zu beantragen. Die Erstattbarkeit des Gutscheins gilt zudem ganz unabhängig davon, ob die ursprüngliche Buchung erstattbar war oder nicht.

Sollte der Reiseveranstalter oder das Transportunternehmen in Konkurs gehen, bevor der Voucher benutzt oder ausgezahlt werden konnte, soll ein staatlicher Fonds greifen. Die Art und Weise und die Kriterien der Umsetzung sowie die Höhe der Entschädigung durch den Fonds müssen noch geregelt werden.

Gutschein ist nicht gleich Gutschein

Wichtig herauszustreichen ist, dass diese Regelung nur für „echte“ COVID-Voucher gilt, also jene die unter den Voraussetzung der gesetzlichen Gutscheinregelung ausgestellt wurden. Nicht anwendbar ist sie auf Kulanzgutscheine, die letzten Sommer häufig von Reiseleistern ausgestellt wurden, obwohl die Reise möglich gewesen wäre: wenn VerbraucherInnen storniert hatten, weil sie keinen Urlaub mehr zur Verfügung hatten, weil sie sich unsicher fühlten oder aus anderen Gründen, die nicht von der Regelung vorgesehen waren.

Die gesetzliche Voucherlösung ist zudem nur Verträge anwendbar, die im Zeitraum 11. März bis 30. September 2020 ausgeführt werden hätten sollen.

Dass Reisen bald wieder möglich sein werden, ist sehr zu hoffen. Das Europäische Verbraucherzentrum wird auch im Sommer 2021 wieder allen VerbraucherInnen unter der Telefonnummer 0471/980939 sowie unter info@euroconsumatori.org mit Informationen und Beratung kostenlos zur Seite stehen.




Hintergrundinformation:
Woher rührt die Unsicherheit bei Verbrauchern und Reisedienstleistern?

Verwirrend für alle Beteiligten ist vor allem, dass sich die Gutscheinregelung seit ihrer Einführung mehrmals geändert hat. Als sie im März 2020 mittels Notverordnungen zuerst für Transportverträge und Pauschalreisen und schließlich auch für Beherbergungsbetriebe eingeführt wurde, ahnte noch niemand, wie lange die Krise andauern und Reisen unmöglich bzw. erschweren würde. In ihrer ursprünglichen Fassung war vorgesehen, dass VerbraucherInnen, die ihre Reise oder ihren Aufenthalt aufgrund der Reisebeschränkungen oder eine COVID-Erkrankung oder Covid-Quarantäne unmöglich antreten konnten, kostenlos stornieren konnten, das Unternehmen aber zwischen einer Erstattung in bar oder in Form eines Gutscheins mit Gültigkeit von einem Jahr wählen konnte. Im April 2020, bei der Umwandlung der Notverordnungen in ein ordentliches Gesetz wurden dem Reisesektor noch größere Zugeständnisse gemacht und es wurde ausdrücklich vorgesehen, dass auch im Falle eines covidbedingten Stornos seitens des Reiseunternehmens die Erstattung auch in Gutscheinform erfolgen konnte. Die allermeisten Reiseunternehmen machten ausgiebig Gebrauch von dieser Möglichkeit und so wurden VerbraucherInnen mit Gutscheinen überhäuft, die sie vielfach bis heute noch nicht genutzt haben.

Dass eine Erstattung in Gutscheinform ohne ausdrückliche Zustimmung des Reisenden bei Annullierungen von Seiten des Transportdienstleisters oder Reiseveranstalters mit dem geltenden EU-Recht so nicht vereinbar ist, wurde natürlich von Anfang seitens der Verbraucherorganisationen, auch unserer, angeprangert. Die EU-Kommission stellte schließlich Italien die Rute ins Fenster und leitete zwei Vertragsverletzungsverfahren ein. Daraufhin reagierte Italien und besserte im Juli 2020 die Gutscheinregelung rückwirkend nach: zum einem, indem es die Nutzbarkeit der Gutscheine auf 18 Monate erhöht hat und zum anderen, indem es ausdrücklich die Pflicht der Erstattung der Gutscheine im Falle deren Nichtnutzung festgelegt hat. Bei Gutscheinen von Unterkünften und Reiseveranstaltern innerhalb zwei Wochen ab Ablauf der 18 Monatsfrist, bei Transportverträgen auf Wunsch schon nach 12 Monaten ab der Ausstellung.
 

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