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27.11.2020

Gastbeitrag von Andreas Inama

 
15 Jahre und mit jedem Jahr jünger: Die Europäischen Verbraucherzentren (ECC) feiern Geburtstag und dürfen dieses Jahr auf eineinhalb Jahrzehnte erfolgreiche Arbeit im Konsumentenschutz zurückblicken. Es ist ein besonderer Jahrestag, dieser 20. November; nicht nur wegen der Tatsache, dass das Netzwerk mittlerweile eineinhalb Jahrzehnte auf dem Buckel hat und sich Tag für Tag weiterentwickelt. Es ist das Jahr 2020, ein Jahr für die Geschichtsbücher, ein Jahr, das besonders für die in ganz Europa verteilten Konsumentenschützer wegen der Pandemie rund um Covid-19 eine riesige Herausforderung darstellt.

Man stelle sich vor, eine weltweite Pandemie beherrscht über ein dreiviertel Jahr das globale Geschehen und scheint bisweilen auch nicht so schnell damit aufzuhören. Reisen werden wegen Reiseverboten spontan storniert. Firmen müssen ihre Mitarbeiter in die Heimarbeit schicken und sie dafür ausstatten. Durch die Ausgangssperren verschiebt sich das Konsumentenverhalten Richtung Internet und der E-Commerce bekommt einen rapiden Aufschwung.

Was vor einem knappen Jahr eine fast schon absurd anmutende Hypothese gewesen wäre, ist in diesem außergewöhnlichen Jahr harte Realität. Und dabei hatte man gerade auf europäischer Ebene eh schon genug damit zu tun, unsere Gesellschaft und somit die Konsumenten auf die neuen Gegebenheiten unserer Gegenwart vorzubereiten und rechtliche Grundlagen dafür zu schaffen. Zunächst der erste wichtige Schritt, das GDPR, das die Daten der europäischen Bürger besser schützen soll. Der angepeilte Green Deal, der ein nachhaltigeres Europa schaffen soll, um den Klimawandel und die Umweltverschmutzung einzudämmen sowie eine Energiewende einzuleiten. Und zuletzt die Förderung der Digitalisierung, die seit Jahren zwar Thema ist, aber in vielen Staaten nach wie vor wie lästige Hausaufgaben aufgeschoben wird.

Nun ist eine Situation entstanden, die diese Dinge und noch viele andere maßgeblich beschleunigt. Und gerade hier kommen die Verbraucherzentren ins Spiel.

Das ECC-Net ist ein Netzwerk aus Verbraucherzentren, das in jedem Land der EU sowie in Norwegen, Island und dem Vereinigten Königreich eine Niederlassung hat und dafür gegründet wurde, das Konsumverhalten der Europäer zu beobachten und bei Bedarf diesen bei Fragen zum Konsumentenschutz beratend zur Seite zu stehen.

Doch wie verhält es sich damit, wenn Hotels, Reisebüros oder Fluggesellschaften auf einmal mit einer Flut spontaner Absagen konfrontiert werden? Was passiert, wenn in den Wirren des Onlinehandels Konsumenten den Überblick verlieren und sich mit unvorhergesehenen Kosten, die im digitalen Kleingedruckten verankert sind, auseinandersetzen müssen? Wie steht es mit dem Datenschutz in einer Gesellschaft, die sich von einem Tag auf den anderen mit einer Welle von unmittelbaren Digitalisierungsprozessen auseinandersetzen muss?

Gerade um diese Fragen zu beantworten und somit eine Idee zu vermitteln, wie der Konsumentenschutz funktioniert, hat das ECC-Net seinen Geburtstag dazu genutzt, zahlreiche junge Journalisten aus ganz Europa zu einem digitalen Event einzuladen. Prominenter Gast war dabei Didier Reynders, Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Kommission.

“Der grüne und der digitale Übergang sind Prioritäten der EU“, erläutert Reynders und unterstreicht, dass man sich in der Kommission sehr wohl im Klaren sei, dass noch viele Richtlinien und rechtliche Grundlagen gerade mit Bezug zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung nicht gut genug ausgearbeitet seien. Gerade die aktuelle Situation offenbart Lücken in der Rechtslage gnadenlos.

Doch auch genau dafür ist das ECC-Net da. Es gilt nicht nur Konsumenten anhand der aktuellen Gesetzeslage zu beraten, sondern auch die Sorgen und Hindernisse, denen sie ausgesetzt sind, an die Politik zu weiterzuleiten. Nur mit Erfahrungsberichten aus der Mitte der Gesellschaft lassen sich nämlich in diesem Potpourri aus Nationalitäten, das die EU nun mal ist, rechtliche Grundlagen schaffen, die den Anforderungen aller Staaten und aller Gesellschaftsschichten entsprechen.

Bezeichnend dafür die Einleitung zum Event von Rik Vera, ein belgischer Unternehmensberater und Wirtschaftsphilosoph, der das Event moderierte: „Unsere Gesellschaft hat sich seit der Gründung des ECC-Net im Jahr 2005 grundlegend verändert. Damals gab es noch keine Social Media, keine Smartphones, E-Commerce war noch eine Randerscheinung. Die Welt verändert sich aber mit rasendem Tempo und die nächsten 15 Jahre werden umso schwieriger für Konsumentenschützer und Konsumenten. KI, die Robotik und Big Data wachsen unentwegt weiter. Daher muss der Blick immer nach vorne gerichtet werden.“

Große Sorgen bereiten den Konsumentenschützern und Brüssel momentan Fake News. Nachdem das Thema das erste Mal bei den US-Wahlen 2016 Einzug in die Feeds und folglich in die Medien gehalten hat, hat die Pandemie die Problematik nochmal befeuert. So weit, dass sich die Granden der Techbranche wie Google, Facebook und Twitter in Folge medialen und politischen Drucks dazu gezwungen sahen, etwas dagegen zu unternehmen. Man richtete eigene, digitale Pressespiegel mit Artikeln von seriösen Medien ein, um die Menschen über die Entwicklungen rund um Covid-19 auf dem neusten Stand der Dinge zu halten. Accounts cholerischer Noch-Staatsoberhäupter wurden wegen der Verbreitung windiger Gerüchte und offensichtlicher Falschinformationen mit entsprechenden Warnhinweisen gekennzeichnet.

Dieser Vorgang betrifft aber auch irreführende Angebote, die sich im Netz finden lassen. Mundschutze und Schutzmasken waren und sind heiße Ware während der Pandemie. Beides Produkte, die dem Laien vor Februar 2020 nur marginal betrafen. Diese Unwissenheit wollen einige Händler ausschlachten und warten mit vermeintlich zertifizierten Produkten auf oder verkauften diese zu Wucherpreisen. Alleine aus diesem Grund mussten Google, Facebook, Instagram oder E-Bay auf Anordnung der EU Hunderte Millionen Werbungen und Angebote löschen.

Und mit dem anhaltenden Digitalisierungsprozess dürfte sich dieser Umstand in nächster Zeit auch kaum ändern. Immer wieder muss das Netz beobachtet und kontrolliert werden, um sinistre Trends zu identifizieren und ihnen Einhalt zu gebieten. Und umgekehrt müssen Konsumenten, die Opfer dieser Trends werden, gegebenenfalls beraten und geschützt werden.

Man unterschätzt manchmal die Wichtigkeit und Gewichtigkeit des Konsumentenschutzes, zumal man nicht immer im Blick hat, wie weit dieser reicht. Wahrscheinlich ist gerade das ein Qualitätsmerkmal dieser Institution – wie bei einem unauffälligen Schiedsrichter im Sport. Tag für Tag setzen sich im Hintergrund Menschen in ganz Europa dafür ein, dass unsere Rechte als Konsumenten in der Union gewahrt werden. Durch deren unermüdlichen Einsatz wird der Ottonormalverbraucher vor vollendeten, aber sicheren Tatsachen gestellt, sodass er sich in der Regel mit ein wenig Umsicht mit gewissen Problemen gar nicht auseinandersetzen muss.

„Ich bin Europäer, ich bin ein Konsument: Ihr tut das alles für uns“, betonte Rik Vera bei einer der Vorbereitungssessions des Events. Und genau deshalb können sich Europäerinnen und Europäer umso glücklicher schätzen, dass auch die nächsten 15 Jahre das ECC-Net für sie da sein wird.

von
Andreas Inama

 

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