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13.06.2014

13.06.2014 – Stichtag für eine kleine Revolution der Verbraucherrechte

 
EVZ und VZS zeigen die Neuerungen im Rahmen einer Pressekonferenz auf
Den 13. Juni 2014 kann man als beinahe historischen Tage für den europäischen Verbraucher bezeichen, denn heute treten in der gesamten EU die neuen Verbraucherrechte in Kraft. Auch der italienische Gesetzgeber hat die EU-Richtlinie umgesetzt und mehrere Artikel des Verbraucherschutzkodex geändert, betroffen ist vor allem der Bereich E-Commerce. Die gesetzlichen Neuerungen, sowie die neuen Rechte der Verbraucher, welche ab 13.6.2014 gelten, wurden heute im Rahmen einer Pressekonferenz von den Beratern der VZS und des EVZ Bozen erläutert.

Am 25. Oktober 2011 hatten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Richtlinie 2011/83/EU zu den Verbraucherrechten verabschiedet; die Mitgliedsstaaten der EU mussten diese Richtlinie in nationales Recht umsetzen. In Italien ist dies mittels Legislativdekret Nr. 21 vom 21. Februar 2014 geschehen, mit welchem nun Artt. 45 - 67 des Verbraucherschutzkodex neu geschrieben wurden. Die Änderungen betreffen im Besonderen die Fernabsatzverträge und jene Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden. Fördern möchte man damit die Möglichkeit für den Verbraucher den Marktplatz Europa effektiv nutzbarer zu machen. Erreicht werden soll dabei ein Gleichgewicht zwischen einem hohen Niveau des Verbraucherschutzes und der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. "Der europäische Gesetzgeber ist in diesem Fall den Weg einer vollständigen Harmonisierung gegangen, um die Rechtssicherheit in allen EU Ländern zu steigern und somit dem grenzüberschreitenden Handel Antrieb zu verschaffen," erläutert Walther Andreaus, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS).

Anwendungsbereich
Die neuen Bestimmungen des Verbraucherkodex finden bei einigen Vertragsarten keine Anwendung, unter anderem in den Bereichen soziale Dienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen, Glücksspiele, Finanzdienstleistungen, Verträge für den Bau neuer Gebäude, Pauschalreisen und Timesharing. Angewedet werden die Regeln aber ausdrücklich bei Verträgen über die Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder Fernwärme (auch durch öffentliche Anbieter). "Die Regeln zu den Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden, greifen außerdem nicht, wenn die vom Verbraucher zu zahlende Gegenleistung 50 EUR nicht überschreitet", erklärt Paolo Guerrierio, Jurist der VZS.

Informationspflichten
“Große Wichtigkeit erlangen mit dieser neuen Richtlinie die Informationspflichten seitens der Unternehmer vor Abschluss des Vertrags", unterstreicht Monika Nardo, Juristin beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Bozen. Vor Vertragsabschluss muss dem Verbraucher unter anderem die Identität des Unternehmens, dessen Postanschrift, Telefonnummer, Fax und E-Mailadresse mitgeteilt, die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung beschreiben, den Preis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller Steuern, zusätzlicher Lieferkosten und aller weiteren Kosten, die Art der Zahlung/Lieferung/Ausführung sowie die Frist, innerhalb welcher das Unternehmen sich verpflichtet zu liefern, die Laufzeit des Vertrags oder Bedingungen für die Kündigung unbefristeter oder sich automatisch verlängernder Verträge dargelegt werden und auf das Bestehen der gesetzlichen Gewährleistung hingewiesen werden.

Widerruf
Auf europäischer Ebene wird die Frist für den Widerruf von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb der Geschäftslokale abgeschlossenen Vertrag vereinheitlicht: es sind nun in allen EU-Staaten 14 Kalendertage (bisher waren es in Italien 10 Werktage). Um dem Unternehmer seine Rücktrittsentscheidung mitzuteilen, kann der Verbraucher das Musterwiderrufsformular, das ihm das Unternehmen zur Verfügung gestellt hat, verwenden oder eine andere ausdrückliche Erklärung abgeben. Die Beweislast liegt dabei beim Verbraucher - daher ist es nicht empfehlenswert den Rücktritt mündlich (z.B. telefonisch) mitzuteilen. Falls der Unternehmer den Verbraucher nicht korrekt über sein Widerrufsrecht informiert, endet die Frist für dessen Ausübung 12 Monate nach der ursprünglichen 14-tägigen Frist.

Übt der Verbraucher das Rücktrittsrecht aus, so hat er die Pflicht dem Unternehmer die erhaltene Ware zurückzugeben, und zwar unverzüglich und spätestens innerhalb 14 Tagen ab Mitteilung des Widerrufs. Der Verbraucher muss dabei die direkten Kosten für die Rückgabe tragen, es sei denn der Unternehmer hat sich bereit erklärt die Kosten zu tragen oder er hat es unterlassen, den Verbraucher darüber zu informieren, dass dieser die Kosten zu tragen hat. Falls bei einem Haustürgeschäft die Waren schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in die Wohnung des Verbrauchers geliefert wurden, holt der Unternehmer die Waren auf eigene Kosten ab, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie normalerweise nicht mit der Post zurückgesendet werden können.

Natürlich darf der Verbraucher bevor er den Widerruf erklärt die Waren auf ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise hin prüfen. Das heißt konkret, er darf mit der Ware so umgehen, wie er es auch im Geschäft vor dem Kauf darf. Sollte der Umgang mit der Ware darüber hinausgehen und dadurch ein Wertverlust entstehen, kann der Verbraucher zwar noch zurücktreten, er muss aber den Wertverlust ersetzen. Das Unternehmen muss seinerseits alle vom Verbraucher geleisteten Zahlungen erstatten und zwar unverzüglich und spätestens innerhalb von 14 Tagen ab dem Zeitpunkt an dem er vom Widerruf informiert wurde. Die Rückzahlung erfolgt unter Verwendung desselben Zahlungsmittels, das vom Verbraucher zur Zahlung verwendet wurde, außer mit dem Verbraucher wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Natürlich dürfen bei der Rückzahlung dem Verbraucher keine Kosten entstehen. Allerdings darf das Unternehmen die Rückzahlung verweigern, bis er die Ware zurück bekommt (oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren zurückgeschickt hat).

Internetkäufe
“Die gesetzlichen Neuerungen haben große Bedeutung für den Internethandel. Dies fängt schon bei der grafischen Gestaltung der Internetseiten an.”, erklärt Barbara Klotzner vom EVZ. Wenn für die Bestellung die Aktivierung einer Schaltfläche mittels Mausklick notwendig ist, muss diese Schaltfläche gut lesbar ausschließlich mit den Worten "zahlungspflichtig bestellen" oder einer ähnlich eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein - sonst ist der Verbraucher nicht gebunden. Was zusätzliche fakultative Zahlungen anbelangt, muss der Verbraucher diesen ausdrücklich zustimmen. Internetseiten, bei welchen fakultative Zusatzdienstleistungen voreingestellt sind, welche der Verbraucher wegklicken muss (opt-out), sind nicht mehr zulässig. Ein Unternehmen darf vom Verbraucher keine Entgelte für die Benützung von Zahlungsmitteln verlangen, die über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer für die Nutzung dieser Zahlungsmittel entstehen.

Lieferung
Die Lieferung der Ware oder die Erbringung der Dienstleistung muss innerhalb von 30 Tagen ab Bestellung erfolgen, außer es wurde eine andere Frist vereinbart. Liefert der Unternehmer nicht innerhalb der Frist, fordert der Verbraucher ihn nochmals auf innerhalb einer zusätzlichen, den Umständen angemessenen, Frist zu liefern. Verstreicht auch diese, ohne dass die Waren geliefert werden, kann der Verbraucher den Vertrag auflösen. Sollte das Unternehmen sich jedoch ausdrücklich weigern zu liefern, oder handelt es sich um eine wesentliche Frist (z.B. das Hochzeitskleid für den Hochzeitstermin), muss der Verbraucher keine neue Frist setzen. Der Unternehmer darf außerdem ohne ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers keine andere Ware liefern als jene, die vertraglich vereinbart worden ist.

„Endlich vereinheitlicht wurde auf europäischer Ebene auch das Risiko des Verlusts bis zur Lieferung," zeigt sich Barbara Klotzner erfreut. "Dieses geht erst dann auf den Verbraucher über, wenn dieser die Waren in Besitz genommen hat."

“Auf die Aufsichtsbehörde für Wettbewerb und Markt (AGCM) wird voraussichtlich viel Arbeit zukommen, wenn es darum geht, eventuelle Verstöße gegen die neue Regelung seitens der Unternehmen zu ahnden”, meint Monika Nardo, und weist darauf hin, dass die Strafen für unlauterere Geschäfstspraktiken erhöht wurden und bis zu 5.000.000 Euro reichen können.

Auf den Webseiten des Europäischen Verbraucherzentrum Bozen www.euroconsumatori.org und der Verbraucherzentrale Südtirol www.verbraucherzentrale.it stehen das an die ab 13. Juni geltenden Neuerungen angepasste Informationsmaterial sowie die entsprechenden Musterbriefe zum Herunterladen bereit.
 

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