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Europäisches Verbraucherzentrum Italien Büro Bozen
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23.04.2020

Cura Italia Dekret und Rechte der Reisenden: Der obligatorische Gutschein macht EU-Verbraucherrechte zunichte

 
Die Änderungen, die im Rahmen der Umwandlung in Gesetz des sogenannten Cura Italia Dekrets vorgenommen wurden, schränken den Schutz, der den Reisenden in der Europäischen Union bisher gewährt wurde, wesentlich ein. Die Annahme des Gutscheins wird, entgegen bisheriger Bestimmungen, obligatorisch sein, auch wenn es die Fluggesellschaft, der Reiseveranstalter oder das Hotel ist, die die Buchung stornieren.
"Die Europäische Union ist die einzige Region der Welt, in der die Bürgerinnen und Bürger durch eine Reihe von Fahrgastrechten umfassend geschützt sind.“ Mit diesen Worten kommentierte Verkehrskommissarin Adina Vălean vor einigen Monaten die Ergebnisse einer Eurobarometer-Umfrage, und die Europäische Kommission wiederholte angesichts der Ausbreitung der aktuellen Pandemie in einer Aussendung, dass der Vorschlag eines Gutscheins für diejenigen, denen die Reise abgesagt wurde, das Recht auf Rückerstattung nicht beeinträchtigen könne. Diese Aussagen stehen vollkommen im Einklang mit dem beeindruckenden Schutzmechanismus, welcher im Laufe der Jahre zu Gunsten der schwächeren Vertragspartei in der EU mühsam durch Verordnungen und Richtlinien umgesetzt wurde. Dieses erleidet heute jedoch eine erhebliche Verletzung: So zumindest in Italien, wo es für Reisende keine Wahl mehr zwischen Gutschein oder Rückerstattung geben wird: Der Gutschein "erfüllt die Verpflichtungen der Rückerstattung und erfordert keine Annahme durch den Empfänger", heißt es im Artikel 88 bis, welcher gerade in der Abgeordnetenkammer zur Abstimmung steht.

"Wir sind uns der Notwendigkeit eines Kompromisses zwischen den Interessen aller, die von den negativen und unvorhersehbaren Folgen des aktuellen Gesundheitsnotstands betroffen sind, bewusst, aber die Lösung, die gerade eingeführt wird, schränkt die Rechte der Reisenden übermäßig ein: Mit ihren ersparten Urlaubsgeldern müssen VerbraucherInnen die Tourismusindustrie vor dem Untergang retten", sagt Maria Pisanò, Direktorin des Europäischen Verbraucherzentrums Italien. Die Unmöglichkeit, den Gutschein für Reisen abzulehnen, wird in der Tat für die BürgerInnen, die von den dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie bereits stark betroffen sind, die Verpflichtung mit sich bringen, den für eine nicht durchgeführte Reise gezahlten Betrag an diese Dienstleistung zu binden - ohne jegliche Garantie für den Fall, dass die Reiseveranstalter, Fluggesellschaften oder Beherbergungsbetriebe zahlungsunfähig werden sollten. "Die Beibehaltung der Alternative zwischen Rückerstattungen und Gutscheinen, die Verlängerung von deren Gültigkeit, welche zur Zeit nur 1 Jahr beträgt, und die Möglichkeit der Rückerstattung bei Nichtinanspruchnahme des Gutscheins könnten das Gleichgewicht zwischen den Parteien wiederherstellen und das erreichen, was das Solidaritätsprinzip in ernsten Situationen wie der gegenwärtigen erfordert", fährt Pisanò fort.

Dennoch scheint keiner dieser Lösungsansätze berücksichtigt worden zu sein. „Ein solider Umgang mit und ein starker Schutz der Verbraucherrechte, auch durch die Gewährleistung der Rückerstattungen, können das Vertrauen der VerbraucherInnen stärken und einen Neustart der Wirtschaft, auch im Tourismussektor, fördern. Aber die am Cura Italia geplanten Änderungen", so die Schlussfolgerung von Monika Nardo, Rechtsberaterin des Bozner Büros, "stellen ein großes Hindernis für italienische Reisende dar: Die Erklärung der notwendigen Anwendungsregel untergräbt die Position des bereits seiner Rechte beraubten Verbrauchers noch weiter, indem sie es ihm nach Möglichkeit sogar verwehrt, von den günstigeren Bestimmungen der anderen Mitgliedsstaaten zu profitieren. Als Beispiele seien Irland und auch Deutschland genannt, wo Fluggesellschaften zur Rückerstattung verpflichtet sind, auch wenn der Flug wegen Covid-19 gestrichen wurde."

"Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass auch italienische Familien von der Krise betroffen sind, mit Arbeitsplatzverlusten, Lohnausgleich sowie Verdienstausfällen und sich deshalb in naher Zukunft keine Reise leisten können. Wir hoffen daher, dass die Unternehmen, den spezifischen Bedürfnissen der VerbraucherInnen, dem eigentlichen Motor der Wirtschaft, gerecht werden und die Rückerstattungsmodalitäten von Fall zu Fall bewerten"
, so das Fazit der EVZ-Experteninnen, die in den letzten Wochen mehr als 2.000 BürgerInnen konkret geholfen haben, die sich mit Anfragen zu ihren Rechten als Reisende an das Zentrum gewandt haben.

Weitere Informationen erteilt das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) unter info@euroconsumatori.org.


Bozen, 23.04.2020
Presse Information

 

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