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Europäisches Verbraucherzentrum Italien Büro Bozen
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01.12.2014

Zauberhafte Türkeireise oder Kaffeefahrt zum Teppichhändler?

 
Als besonderes Dankeschön als Leser eines Vereinsmagazin haben 40.000 Südtiroler in den letzten Tagen ein wirklich „einzigartiges“ Angebot bekommen: eine Pauschalreise in die Türkei zum Spezialpreis ab 149 Euro. Aber wie kann eine Traumreise so billig sein? Das Europäische Verbraucherzentrum verrät, was es mit solchen billigen Pauschalreisen auf sich hat.
Für 149 Euro bekommt man so einiges vom deutschen Reiseveranstalter: Flug mit einer renommierten Fluggesellschaft, Transfer zum Hotel, 7 Übernachtungen in 4- und 5-Sterne-Hotels, 7 reichhaltige Frühstücksbuffets, Rundreisen in modernen klimatisierten Reisebussen, und Flughafenzuschläge gibt es auch keine. Den Konsumenten, die sich entschlossen haben an einer solchen Reise teilzunehmen, raten die Rechtsberaterinnen im Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Bozen sich auf jeden Fall über Stornogebühren und Reiseversicherungen (für Rücktritt, Gepäck und Krankheit) zu informieren.

Leider ist noch niemand der Bitte des EVZ nachgekommen, sich nach Teilnahme an einer solchen Reise bei den Beraterinnen zu melden, um von ihren Erfahrungen zu erzählen. Aber eine kurze Recherche im Internet bestätigt die Befürchtungen der Reiseexperten: Es sind diese Rundreisen, die aus einer zauberhaften Türkeireise eine Kaffeefahrt zum Teppich-, Leder- und Schmuckhändler machen!

Vor Ort kann es dann gut vorkommen, dass Konsumenten zu übereilten Kaufabschlüssen überrumpelt werden. Häufig wird der Kaufpreis über Kreditkarten oder Einziehungsermächtigung sofort abgebucht. Gut, dass das türkische Recht für solche Haustürgeschäfte ein Rücktrittsrecht kennt. Ein Haustürgeschäft liegt nämlich auch dann vor, wenn der Vertrag zwar direkt in den Räumlichkeiten der Teppichfirma unterschrieben wurde, jedoch Verbraucher im Rahmen einer Reise vom Reiseveranstalter bzw. Reiseleiter des Veranstalters in Teppichgeschäfte geschleust und so zum Vertragsabschluss überrumpelt werden.

Gemäß Artikel 9 des TKHK (Türketicinin Korunmasi Hakkinda Kanun), dem türkischen Verbraucherschutzgesetzbuch, muss die Teppichfirma über das Rücktrittsrecht in schriftlicher Form informieren, wobei die Belehrung nur auf einem Vertragsformular abgedruckt werden darf; die Widerrufsfrist beträgt 7 Tage (bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung steht dem Verbraucher ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht zu). Die Entgegennahme einer Anzahlung durch die Teppichfirma bis zum Ablauf der Rücktrittsfrist ist verboten. Der Verbraucher ist nicht zur Rücksendung der Ware auf seine Kosten verpflichtet - ihm können daher keinerlei Rücksendekosten auferlegt werden.

Wie der österreichische Verein für Konsumenten Information bereits berichtet hat (https://verbraucherrecht.at/cms/index.php?id=49&tx_ttnews[tt_news]=2798&cHash=66dc9b5c9af88f366e842f12ce8a4b25) erleben Verbraucher in der Praxis immer wieder, dass der schriftliche Rücktritt gegenüber der Teppichfirma zunächst nichts nützt. Es wird weiter versucht, den gekauften Teppich zuzustellen und es wird die Anzahlung nicht retourniert. Doch da setzt nun ein anderer Gedanke an: Der Reiseveranstalter, der - in engem Zusammenwirken mit der Teppichfirma - seine Reisenden in die Teppichknüpferei karrt, hat eine Mitverantwortung, für das was dort passiert. Jedenfalls muss er zum einen die türkische Rechtslage kennen und zum anderen seine Reisenden darüber auch aufklären. So müsste er klarstellen, dass Anzahlungen bis zum Ablauf der Rücktrittsfrist nicht zulässig sind. Hätte der Veranstalter das getan, dann hätten die Verbraucher den Vertrag wahrscheinlich nicht abgeschlossen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit die Rückerstattung der Anzahlung auch direkt beim Veranstalter zu verlangen, auch wenn kein direkter rechtlicher Anspruch entsteht. In der Praxis wirkt diese Vorgangsweise aber oft Wunder: Zwar zahlt der Veranstalter keinen Schadenersatz, aber er veranlasst seinen Geschäftspartner in der Türkei, die Anzahlung schleunigst zurückzubezahlen.

Zum EVZ in Bozen sind in den letzten Jahren einzelne Damen gekommen, die bei solchen Besuchen Schmuck gekauft hatten. Wieder zurück in Italien, haben die Verbraucherinnen die Ringe und Ohrringe von ihrem Vertrauensjuwelier überprüfen lassen. Herausgestellt hat sich, dass sie die (Schmuck)Stücke zu einem weitaus überteuerten Preis gekauft hatten.

Weitere Informationen zum Thema erteilt das Europäische Verbraucherzentrum Bozen unter 0471-980939 und unter info@euroconsumatori.org.
 

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